6
Mai
2012

luxus schwimmengehen

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Vor ein paar Tagen wollt ich Schiffskapitän werden. Jetzt find ich Stadtplaner total toll. Istanbul kitzelt Berufswünsche aus mir heraus, die ich bisher nie gehabt hab und denen ich nicht nachgehen werde. Warum das Ganze? Heute, eine eineinhalbstündige Fahrt ans Meer, nach Sile. Am Schwarzen Meer kann man sich im Gegensatz zum Bosporus bedenkenlos ins Meer werfen, ohne zwischen Quallen und allerlei Dreck herumtauchen zu müssen. Und auf dieser eineinhalbstündigen Fahrt hab ich gemerkt, dass diese Stadt irgendwie nie aufhört. Irgendwo müssen die 18 Millionen Menschen ja auch wohnen.

Aber was genau hat ein Mensch im ländlichen, aufgrund des Traumstrands ein bißchen touristischen Sile mit einem Menschen im zentralen, völlig überlaufenden Beyoglu oder in Kadiköy zu tun? Die leben beide in Istanbul aber ihre Kinder werden nicht in die gleiche Schule gehen, sie leben in völlig unterschiedlichen Regionen mit völlig unterschiedlichen Bedürfnissen und unter unterschiedlichen Umständen, baulich, verkehrstechnisch, nahversorgungsmäßig, soziokulturell.

Das unterscheidet Istanbul natürlich nicht von kleineren Großstädten. Aber soziale Mobilität, die gerade die Zentren der Welt für sich in Anspruch nehmen, setzt physische Mobilität voraus. Die ist bei den hiesigen Entfernungen zeit- und kostspielig. Jetzt ist es für MitteleuropäerInnen natürlich leicht, in Istanbul herumzukommen, finanziell tut das alles nicht wirklich weh. Aber die 25 Lira (11 Euro), die die Fahrt mit verschiedenen Verkehrsmitteln da raus zum Schwarzen Meer heute gekostet hat, sind für eine vierköpfige Familie ein gutes Zehntel des Durchschnittseinkommens in der Türkei. Da ist dann im Schwarzen Meer schwimmen schon eine ziemliche Luxusveranstaltung.

Heißt auch: In Istanbul leben zig Millionen Menschen zwar am Meer, können aber – außer, wenn sie sich dem Bosporus oder dem Marmarameer aussetzen wollen, in dem man hier eigentlich nicht planschen sollte – nicht leistbar ins kühle Nass, das sie umgibt, wie kaum eine andere Großstadt der Welt. Ein Fall für die Stadtplanung, für die Sozialpolitik und für die Verkehrspolitik. Drei Felder, in denen ich mich (noch) nicht auskenn. Aber als zukünftiger Großstadt-Bewohner gelobe: Ich les mich ein. Wie Menschen von A nach B kommen halt ich nämlich spätestens seit heute für eine der wichtigsten Fragen unserer Zeit.
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hallo istanbul

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