einen monatslohn in einer stunde liegenlassen
Also Schüttelfrost, mein Kopf fühlt sich an, wie 57 Grad, zittrige Knie. Ich schlepp mich heim, leg mich ins Bett, friere mit Jacke bei 25 Grad Zimmertemperatur, mein Schädel hämmert. Da stimmt irgendwas nicht. Mein Mitbewohner sagt, ich muss ins Krankenhaus, ich sehe schrecklich aus. Er will in ein Öffenliches, das kriegen wir schon irgendwie hin dort, auch wenn man da sicher eine Zeit lang warten muss. Ich weiger mich, will in ein Privates. Wir landen im Alman Hastanesi, dem „deutschen“ Krankenhaus, das längst einer internationalen Stiftung gehört.
Ich komm nach 10 Minuten dran, 39 Fieber, werd mit dem Rollstuhl von einem Mann, den ich eigentlich im Rollstuhl schieben sollt, durchs halbe Krankenhaus zum Röntgen geschoben. Bluttest, dann wieder Fiebermessen. Otuz dokuz dört, 39,4, sagt die Krankenpflegerin. Soviel türkisch versteh ich auch im Delirium noch. Zwei Infusionen in einem schicken Krankenzimmer später konstatiert der Arzt eine schwere Bronchitis, verschreibt mir Antibiotika, bietet mir noch an, ich könne auch über Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben. Ich sage dankend ab.
Und dann, am Weg raus, sagt mein Mitbewohner Esat, der mir nicht von der Seite gewichen ist. „Du hast da drin grad einen durchschnittlichen türkischen Monatslohn liegen lassen.“ Er hat Recht. Mit Medikamenten hat der Spaß 650 Lira gekostet, knapp unterm Mindestlohn in der Türkei. Warum ich das erzähl? Weil's mir meine privilegierte Situation vor Augen geführt hat. Und ein paar LeserInnen vielleicht auch die Ihre.
pablodiabolo - 8. Mär, 15:30